13.o8.14 // 15:o5 Uhr

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Gerade schreibe ich von einem der Schreibtische im Schokoladen (hihi, Wortwitz) meiner Gastfamilie aus. Das "Confetti" in der Av. Las Americas, Ring 1 in Santa Cruz de la Sierra ist einer von (ich glaub) vier Geschaeftssitzen des Familienunternehmens und ausserdem der, der dem Wohnhaus am naechsten ist (zu Fuss etwa drei Minuten, was aber nicht heisst, dass man nicht trotzdem meistens Auto faehrt).

Meine Gastfamilie ist phantastisch. Vom Flughafen hat mich meine ältere Gastschwester Camila mit ihrem Cousin Leo (14, aus Sao Paulo) abgeholt, weil der Rest der Familie noch im Urlaub war. Beide sprechen gluecklicherweise englisch, denn das mit der Konversation ist so eine Sache, die ich sicher gleich nochmal erwaehnen werde... egal, mit beiden verstand ich mich auf Anhieb gut. Leo fuehrte mich ein bisschen in der Stadt herum, wir gingen sogar ins Kino und in einen Spielesaloon.

Gleich am Samstag nahm Camila mich mit auf eine Party, sodass ich ihren Freund, einige Cousins und Freunde kennen lernte (die auch meist englisch sprachen). Die Party war ganz lustig, endete aber damit, dass Camila und Mono (ihr Freund) ploetzlich weg waren. Zum Glück konnte Monos Cousin die beiden auf dem Handy erreichen und fuhr mich zu ihnen. Der kurze Schockmoment hatte also noch ein glückliches Ende und ich kam um fuenf Uhr nach Hause.

 

Am Sonntag war lange schlafen angesagt und gegen Mittag kamen eine Tante und eine Cousine zum Essen vorbei. Danach setzte man sich gemeinsam vor den Fernseher. Das tut man uebrigens fast immer, wenn man gerade nicht arbeiten muss, also taeglich von etwa 1-5 Uhr und nach dem Abendessen ab etwa 9 Uhr.

 

Am Montag kamen dann auch meine Gasteltern und meine andere Schwester nach Hause. Alle sind richtig nett, haben mich sofort in ihren Kreis aufgenommen und vor allem Silvia spart nicht an Umarmungen, Kuesschen und "Mi Amor"s. Damit ich Spanisch lerne, hat sie Isa beauftragt, das ganze Haus mit Karteikarten zuzupflastern. Ich konnte gerade noch Betowyn, den schwarzen Perserkater vor einer Karteikarte retten. Der arme Kühlschrank hat allerdings einen ganzen Haufen an Mantequillas, Leches und Ensaladas abbekommen - zu meinem Glück ;-)

 

Gestern Abend waren Isa und ich im Hardrock Cafe bei einem Essen von AFS, wo ich auch Max wieder getroffen hab, aus meiner VB-Gruppe. Sich mal wieder in der eigenen Sprache unterhalten zu koennen war echt angenehm, trotz kratziger Stimme, die ich der Erkaeltung zu verdanken hab, die mir die vielen Klimaanlagen und Deckenluefter eingebrockt haben. Die Lungen der Bolivianer sind das wahrscheinlich gewöhnt, also habe ich meine Lunge beauftragt, sich das ganz schnell abzugucken.

 

Das letzte Brisante, was passiert ist, war folgendes: Ich habe eine Email an meine Projektleiterin geschrieben, wann ich denn anfangen koenne und ob ich vorher mal vorbei kommen soll. Dann wollte ich von Silvia wissen, ob es Sinn macht, was ich (auf Spanisch) geschrieben habe. Sie entdeckte eine Telefonnummer, rief Cleo (die Chefin) kurzerhand an und ploetzlich hiess es: "AHORITA!" - jetzt. (Oder woertlich uebersetzt: jetztelchen?) [Echt lustig - Santa Cruz-ler denken wie die Bayern ueber ihr Land (ja, ich weiss, es ist nur ein Teil des Landes. Beides.) und sprechen wie die Schwaben (A Loeffele, ein Ringle, ein Steckdoesle).]

Zurueck zum Ahorita: Wir fuhren also auf der Stelle zum Buero der Chefin und dort musste ich eine ganze halbe Stunde allein mit ihr reden. Was daran schlimm ist? Sie kann nur spanisch! War dann aber doch nicht schlimm, denn aus irgendeinem Grund hat sie es hinbekommen, so zu reden, dass ich wirklich so gut wie alles verstanden hab. Kein verschlucktes "s", nicht so schnell, keine komplizierten Zeitformen und ploetzlich gings. Sie erzaehlte mir ein bisschen was ueber die Kinder und die Republica Callecruz. Am naechsten Morgen (also heute), sollte ich um 6:45 Uhr wieder dort sein, da dort der Micro (ein kleiner Bus) startet, der bis zur Republica faehrt.

 

Ich liess mich also dort abliefern und stellte erst einmal fest, dass Cleo eine Ausnahme war, was das Mit-mir-Reden anging. Ich verstand im Projekt weder die Kinder, noch die Betreuer so richtig. Trotzdem kommte ich nach der ueber einstuendigen Busfahrt (die grossteils ueber eine holprige Sandstrasse mitten ins Nirgendwo fuehrt und immer noch weiter, wenn man denkt, es sei laengst das Ende der Welt) ein bisschen in der sehr sehr spartanischen Kueche beim Kochen helfen. Bohnen schnippeln, einen Jungen namens Breno (glaub ich) knuddeln, Erbsen schaelen, wieder den Jungen knuddeln, Karotten schaelen und so weiter. Dann wurde mir noch der Garten gezeigt, in dem die Jungs Gemuese anpflanzen, und zwar alles von der Karotte, ueber die Petersilie, bis hin zu Gurke, Salat und Paprika. Das haette ich auch gern im Garten!

 

Alles in Allem waere es hier richtig klasse, wenn die Erkaeltung verschwinden und mir stattdessen ein paar Spanischkenntnisse dalassen wuerde. Aber das wird schon noch.

 

Einige der Kids beim Spielen in der Pause. Bevorzugt: Mit Murmeln schussern.

 

Einer der zwei Hunde im Projekt, total süß. Hab ihn Felix genannt.

 

 

15.o8.14 // oo:15 Uhr

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Heute (also am Donnerstag) war es in der Republica schon viel besser, da ich zwar immernoch nichts verstanden hab, aber die Kinder haben mich sofort geknuddelt und sich an mich dran gehängt, um mich zu begrüßen. Ich habe wieder beim Kochen geholfen (kann man nach zwei Tagen schon Routine in etwas haben? Solltet ihr mal das Gefühl haben, zum Psychiater zu müssen, kauft euch eine Tüte Erbsenschoten und pult die Erbsen heraus, das hat was unheimlich Meditatives!) und danach war ich bei den Kleinsten im "Kindergarten", einem kleinen Raum, in dem die etwa zehn Jüngsten miteinander spielen und toben konnten. Dass ich meinen Fotoapparat dabei hatte, lief darauf hinaus, dass jeder ein Foto schießen wollte - bevorzugt leider von mir. Gut, dass ich die Macht über das Löschen hab! ;-)

 

 Drei der Kleinsten und das vermutlich einzige Foto, auf dem das pinke Engelchen niemandem den Stinkefinger zeigt.

Gruppenfoto mit den Kindergartenkindern.

 

 

Auf dem Heimweg hatte das Micro eine Panne, sodass wir erst eine halbe Stunde beim Reifenwechseln zugeschaut haben, um uns dann zu sechst in ein Trufi zu quetschen, das uns in die Stadt gebracht hat. Meine erste Trufi-Fahrt!

Reifenwechsel am Micro!

 

 Fernanda, eine der Schülerinnen im Micro.

 

Am Nachmittag habe ich Luisa einen Besuch abgestattet. Wie ich später festgestellt habe, wohnt sie nur ein paar Straßen von dort entfernt, wo ich jeden Morgen mit dem Micro losfahre. Praktisch.

Apropos - morgen muss ich das erste Mal alleine mit einem Minibus zum Micro fahren. Heißt: Um 5:40 Uhr aufstehen, um kurz nach 6 aus dem Haus und ein paar Straßen entlanggehen, um auf der dicht befahrenen Ringstraße einen rot-blauen Minibus mit der Nummer 72  zu finden, der für mich anhalten soll und mich dann auch noch an der richtigen Stelle rauslassen soll. Dazu muss man dann einfach "Pare, por favor!" rufen, dann hält der Bus an der nächstbesten Möglichkeit an. Wenn ich das hinbekomme, ist das meine erste selbstständige Tat hier in Bolivien, also ein großer Schritt! :)

 

 

Typisches Fortbewegungsmittel, besonders, wenn man nicht in der Innenstadt ist. Die Pferde werden sonst einfach mit einem langen Seil um den Hals an einem Baum festgebunden und dürfen grasen.

 

 

 

15.o8.14 // 17:23 Uhr

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Heute morgen bin ich schon um halb sechs Uhr aufgestanden, um rechtzeitig zum Micro zu kommen. Das war auch gut so, denn als ich losgelaufen bin (es war noch dunkel, irgendwie unheimlich, wenn man weiß, dass hier oft Leute ausgeraubt werden!), hat es gar nicht allzu lange gedauert, bis ich keine Ahnung mehr hatte, wo ich war. Sogar der Versuch, zurück zu laufen, ist gescheitert. Schließlich habe ich Silvia angerufen und ihr mit spanischen Wortfetzen meine Situation versucht zu erklären. Sie hat sich sofort ins Auto gesetzt und mich abgeholt. Es stellte sich heraus, dass ich von anfang an in die falsche Richtung gelaufen bin! Silvia brachte mich zum Micro, sagte sogar dem Fahrer, wo er mich rauslassen soll und ich war endlich wieder dort, wo ich sein sollte. Als ich ausstieg, stand plötzlich wieder Silvia vor mir - sie war dem Micro gefolgt, um zu sehen, ob ich auch wirklich ankomme! So lieb :-)

Im Projekt haben wir heute Fußball gespielt (ich nur kurz), ich saß mal mit im Unterricht, wobei ich von dem Diktat kaum was verstanden habe, hab Kartoffeln geschält und mit Brando lesen geübt.

Auf dem Heimweg hat das Microfahren dann doch tatsächlich ohne Probleme geklappt, sowohl das Einsteigen (Finger rausstrecken, dann hält es an), als auch das Zahlen (genau 2 Bs.) und das Aussteigen ("Pare, por favor!", siehe oben), und die richtige Straße nach Hause hab ich auch gefunden. Mit anderen Worten: Jetzt kann ich zum Beispiel Luisa besuchen, wann immer ich möchte, das ist klasse.

Den Nachmittag habe ich erstmals ganz entspannt alleine zuhause (obwohl, ich glaub Leo ist da und schläft) verbracht.

 

 

17.o8.14 // 12:43 Uhr

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Freitagabend habe ich Isabella geholfen, Nachspeisen mit Erdbeeren zu dekorieren. Danach haben wir die ausgeliefert, zu (laut ihr) Boliviens bestem Hotel. Die Kulisse, in der die Feier stattfinden sollte, war atemberaubend schön. Danach gab es ein Abendessen bei ihren Großeltern. Darunter habe ich mir ein gemütliches Zusammensitzen vorgestellt, doch es waren bestimmt 30, 40 Leute da, anscheinend allesamt Verwandte. Es gab Essen und danach hat sich die Gesellschaft wieder aufgelöst.

Am Samstag konnte ich (einigermaßen lange) ausschlafen, bevor wir zum Confetti gefahren sind, um dort zu helfen. Mittags war nämlich ein Event, für das die Firma das Catering lieferte. Ich fuhr mit, bekam eine Schürze und durfte Käse über Suppen streuen, Deckel auf die Schüsseln stülpen, Nachspeisen auspacken und Soßen über Fleischstücke gießen. Das war zwar nicht gerade schwer, hat aber Spaß gemacht. Gegen drei Uhr war das Essen beendet und wir fuhren wieder nach Hause, sechs der Angestellten auf der Dreisitzer-Rückbank gestapelt. Aber das ist hier normal, genau wie beispielsweise vier Personen auf einem Motorrad.

Abends hatte ich das erste Mal Spanischkurs, zu dem ich mit einem Taxi hingefahren bin. Wir sind etwa zwölf Leute, die meisten machen einen Schüleraustausch und kommen aus Deutschland, Belgien, Japan und Frankreich. Da meine Familia noch keine Zeit hatte, mich abzuholen, fuhr ich noch mit zu Luisa.

Silvia und Isa holten mich schließlich dort ab, wir brachten Isa irgendwohin zu einer Freundin und fuhren nach Hause. Zum Essen haben wir Burger mit Pommes geholt. Ja, es ist unmöglich für Europäer, hier nicht fett zu werden :/

Am Sonntag konnten wir richtig lang ausschlafen und haben dann gemeinsam im Stehen Salteñas gefrühstückt, das ist eine Spezialität in Bolivien.

 

 

Die Teigtaschen sind mit Pollo (Hühnchen), Papas (Kartoffeln) oder Hackfleisch gefüllt und ziemlich würzig. Ich hätte es also eigentlich nicht als Frühstück eingeordnet, zumal meine Salteña recht scharf war.

Danach haben alle wieder Fern geschaut, die Eltern im Elternschlafzimmer, Leo und ich im Wohnzimmer, bis um ein Uhr alle zusammen zum Mittagessen gingen. Um ein Uhr bolivianischer Zeit, also eher so gegen halb Zwei. ;-) Ich korrigiere, es war kurz nach Zwei, als wir losgefahren sind. Im Steakhouse gab es eine große Salatbar, die zur freien Verfügung stand, selbstgemachte (?) Limonade und Pommes zu dem (recht blutigen) Stück Fleisch. Was ich nicht verstehe ist, wie sich die Bolivianer bei der ständigen Lautstärke überall trotzdem so leise unterhalten können. Selbst wenn ich den Inhalt verstehe, scheitert es inzwischen manchmal an der Akkustik. Aber erklär das mal auf Spanisch.

Wieder Zuhause hat sich jeder irgendwohin verzogen, später habe ich mit Isabella und Vico ferngesehen und bin früh schlafen gegangen. Morgen muss ich ja wieder früh raus, denn nochmal will ich mich nicht von Silvia irgendwo in Santa Cruz einsammeln lassen müssen, nur weil ich den Weg nicht gefunden habe... ;-)